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6. Der Herzenszustand eines Menschen, dessen Eifer wieder erkaltet und der die Welt lieb gewinnt
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Du siehst in diesem Bild ein Angesicht, das mit einem Auge frech umherblickt, das andere Auge ist schläfrig. Im Herzen sind die Zeichen des Leidens weniger geworden, die Funken der Gnade erlöschen, der Stern - der Glaube - wird dunkler und hat sein Licht und seinen Glanz verloren. Das bedeutet uns, dass, wenn der Mensch im Guten lau und schläfrig wird, im Gebet und in der Wachsamkeit nachlässt und dagegen auf die Eitelkeiten der Welt hinblickt und sich immer mehr vom Genuss der Freuden, Ehren und Vergnügungen der Welt oder des Fleisches erlaubt, wenn er dabei, wie es natürlich erfolgen muss, immer weniger an das Leiden seines Heilands denkt, zu dem Gekreuzigten, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, immer seltener aufblickt und Ihn so nach und nach ganz aus dem Herzen verliert, so dass die Glut der Andacht erlöscht, die Liebe zu Jesus erkaltet, die Gnade weicht, der Glaube wankt und stirbt. Es wird dunkel, finster, kalt und trocken in seinem Herzen; er wird träge und verzagt. Und was geschieht nun?
Die Welt, die der Mann mit dem Dolch darstellt, dringt nun wieder mit Gewalt in sein Herz ein. Weil er keine Glaubenskraft, keinen Mut, kein helles Licht, keine Liebe mehr hat, fürchtet er sich vor den Drohungen der Welt, oder er wird durch Schmeicheleien und Lockungen betrogen und gewinnt die Welt wieder lieb.
In einem solchen Zustand kommt nun auch der Satan wieder und trägt und schleppt die alten Tiere wieder in das Herz hinein, und das gelingt ihm um so leichter, weil er keine Wache, keinen Widerstand mehr findet, weil der Mensch lau, träge im Gebet geworden und die Gelegenheiten zur Sünde nicht meidet, sondern sich der Gefahr selbst aussetzt.
Der Engel oder die Gnade Christi sucht zwar den Satan zu vertreiben; allein da ihm der Mensch selbst durch die Sünde Tür und Tor wieder öffnet und nicht wacht und betet, mit der Gnade nicht treu mitwirkt, dringt die Sünde und durch die Sünde der Satan wieder in das Herz ein.
Hier gilt es also, was Christus sagte: "Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallet!" (Matth. 26,41), und Paulus: "Betet ohne Unterlass!" (1. Thess. 5,17). Das Gebet ist die Seele des christlichen Lebens; wo das Gebet nachlässt, lässt alles Gute nach - das Gebet ist das geistliche Atemholen. Wo das ausbleibt oder schwächer wird, da stirbt alles Gute. So auch, wenn wir nicht wachen und schläfrig werden, so kommt der Feind und sät Unkraut unter den Weizen.
Ein unbewachtes und unbewaffnetes Herz steht allen Feinden, nämlich der Sünde und dem Satan, offen. Lass also die heilige Wache - Gebet und innige Andacht, Aufblick auf Jesus, den Gekreuzigten - nie von deiner Seele weichen, nie einschlummern, damit nichts Unreines in den Tempel Gottes eindringen und ihn verderben kann, sonst wird dich Gott auch verderben. "Seid nüchtern und wachet; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, welchen er verschlinge. Dem widerstehet, fest im Glauben" (l. Petrus 5,8-9). "Darum, wer sich lässt dünken, er stehe, mag wohl zusehen, dass er nicht falle" (1. Kor. 10,12). Wir dürfen die Waffenrüstung, die Paulus Epheser 6,13-19 so schön beschreibt, nie ablegen; "denn wir haben", wie Vers 12 sagt, "nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel." Nur mit dem Schild des Glaubens können wir die feurigen Pfeile des Bösewichts auslöschen. Der Glaube muss daher immer fest und lebendig bleiben, die Liebe immer beständig; und das kann nur dann sein, wenn wir Jesus und Sein Leiden nie aus dem Auge und Herzen lassen, wenn wir unseren Blick abwenden von der Welt und ihren Lockungen und zu Ihm unverrückt aufblicken, wenn wir unser Herz verriegeln allen Reizen der Sünde und die Nähe Gottes, den Umgang mit Gott stets unterhalten, auf die Gnadenzüge Gottes und die Regungen des Heiligen Geistes immer aufmerksam sind und uns Ihm hingeben. Der Glaube verliert all seine Kraft, sein Licht und Leben, die Liebe erkaltet, wenn der Grund, auf dem sie ruht, Jesus, der Gekreuzigte, aus dem Herzen weicht.
Gebet
Herr, Du erforschest mich und kennest mich. Du Herzenskündiger! Du kennst meine Schwachheit, die Unbeständigkeit meines Herzens, das so leicht wieder in der Liebe erkaltet und im Glauben schwach wird. Du weißt, wie sehr ich zur Sünde und Welt geneigt bin, wie ich alle Anstrengung und Mühe, allen Ernst in der Selbstverleugnung und Wachsamkeit über mein Herz scheue und fürchte. Stärke mich, belebe mich; erhalte mich aufrecht und standhaft! Ohne Dich vermag ich nichts! Lass mich nicht, tue Deine Hand nicht von mir ab, Gott, mein Heil! Ich kann nicht in Dir bleiben, wenn Du mich nicht hältst und in mir bleibst. Lass das Licht in mir nicht erlöschen, die Liebe nicht erkalten, das Vertrauen nicht wanken, den Glauben nicht sterben! Gib mir stets neue Kraft und Lust zum Gebet; schenke mir Freudigkeit, stets zu Dir aufzublicken. Gib meinem Auge Munterkeit, unverrückt an Dir zu hangen und mich beständig an Deinem Leiden zu stärken. Wende meine Augen ab, dass sie nicht auf die Eitelkeit sehen! Amen.
Ach, was sind wir ohne Jesum?
Dürftig, jämmerlich und arm.
Ach, was sind wir? Voller Elend.
Ach, Herr Jesu, Dich erbarm!
Gib uns Deines Geistes Stärke,
dass wir durch desselben Kraft
töten alle Fleischeswerke,
siegen über Leidenschaft.
Schreibe Deine blut'gen Wunden,
Jesu, in mein Herz hinein!
Lass sie mir zu allen Stunden
ewig unvergessen sein!
Fällt mir etwas Arges ein,
blick ich gleich auf Deine Pein,
die erlaubet meinem Herzen
mit der Sünde nicht zu scherzen.
O den Blick erhalte mir,
bis Du heimholst mich zu Dir!
Drücke Deinen Todesschmerz
unauslöschlich in mein Herz!
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Johannes Goßner (1773-1858)
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