Bibel und christlicher Glaube

gottesbotschaft.de - 28.03.2024
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Das Innere eines Menschen, der mit Gott versöhnt ist

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4. Bild des inneren Zustandes eines Menschen, der, durch Christi Verdienst mit Gott versöhnt, nicht mehr weiß als Jesus Christus, den Gekreuzigten


In dem Herzen des begnadigten Sünders ist nun nichts zu sehen als Jesus, der Gekreuzigte, und die Zeichen Seines Leidens; denn der Heilige Geist, der ihn jetzt treibt und regiert und dessen Führung er sich überlassen hat, kann sein Herz nicht besser in der Liebe entzünden, als wenn Er ihm beständig Jesus in Seiner Martergestalt am Kreuz und überhaupt Sein Leiden vorstellt und ihm zu Gemüte führt, wie viel es Jesus, seinen Versöhner, gekostet hat, dass er erlöst ist. Die Vorstellung des Todes Jesu und das Andenken an Sein Leiden ist daher sein Hauptgeschäft. "Ich halte mich nicht dafür", sagt er mit Paulus, "dass ich etwas wüsste, als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten" (1. Kor. 2,2); und "es sei ferne von mir, mich zu rühmen, als allein des Kreuzes unsers Herrn Jesus Christus, durch welchen mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt" (Galater 6,14).
Er findet unter der Leitung des Heiligen Geistes in dem Tod und Leiden seines Versöhners so viel Trost und Kraft, dass sein ganzes Herz damit erfüllt ist. "Ist Gott für uns", spricht er, "wer mag wider uns sein? Welcher auch Seines eigenen Sohnes nicht hat verschont, sondern hat Ihn für uns alle dahingegeben; wie sollte Er uns mit Ihm nicht alles schenken?" (Römer 8,31-32). Der Tod, das Leiden Jesu ist ihm also Pfand der ewigen Vaterliebe Gottes, die ihn in Christus mit sich versöhnt hat und ihm seine Sünden nicht zurechnet (2. Kor. 5,19). Christus, der Gekreuzigte, ist nun der Grund seines Vertrauens zu Gott, der ewigen Liebe; Gott, der Vater, der Seinen Sohn für uns in solche Leiden hingeben konnte, was wird uns der versagen? Und weil auf diese Weise Christus, der Gekreuzigte, sein Eigentum geworden, in seinem Herzen wohnt, ihm von Gott geschenkt, so findet er in Ihm die reichlichste Quelle nicht nur alles Trostes, sondern auch aller Kraft zum Guten in sich.
Der Gedanke, der lebendige Glaube an Christus, Seine gekreuzigte Liebe in sich, macht ihm alle Weltfreude, alle Fleischeslust, alle Erdenherrlichkeit, alles Vergängliche zum Ekel. Es ist ihm, als rufe ihm Jesus, der Gekreuzigte, beständig zu: "Will Mir jemand nachfolgen (das heißt Sein Jünger sein), der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge Mir" (Matth. 16,24); denn "wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt Mir nach, der ist Mein nicht wert" (Matth. 10,38).
Seine Grundneigung wird daher die, Christus, dem Gekreuzigten, ähnlich zu werden. Er übt sich deswegen in der Gottseligkeit, er jagt der Heiligung nach, ohne die niemand den Herrn sehen wird (Hebr. 12,14). Er reinigt sich von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes und fährt fort mit der Heiligung in der Furcht Gottes (1. Kor. 7,1). Er betet ohne Unterlass und hält an mit Bitten und Flehen im Geist (Eph. 6,18). Wohlzutun und mitzuteilen vergisst er nicht, denn er weiß, solche Opfer gefallen Gott wohl (Hebr. 13,16). Er freut sich, wenn er gewürdigt wird, um Christi willen Schmach, Verfolgung, Trübsale, Demütigungen zu leiden, weil er weiß, dass, wenn wir mit leiden, wir auch mit verherrlicht werden.
Kurz, um deswillen, der ihn geliebt und sich selbst für ihn dar gegeben hat, überwindet er weit in allem, indem er auch hinausblickt auf den Gnadenlohn, der groß ist und allen denen zuteil wird, die im Kampf beharren. "Wer überwindet, der wird es alles ererben" (Offb. 21,7). So schallt es in seinen Ohren; darum heißt es bei ihm: "Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich zu dem, das da vorne ist, und jage nach dem vorgesteckten Ziel, nach dem Kleinod der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus" (Phil. 3,13-14).


Gebet

O Liebe, o meine gekreuzigte Liebe, Jesus Christus, Du hast mich mit Gott versöhnt; Du sollst von nun an allein in meinem Herzen zu sehen sein! Dir, dem Andenken Deines Leidens und Sterbens sei mein Herz geweiht, mein ganzes Leben gewidmet! Die Liebe, womit Du mich geliebt hast, sei in mir und durchdringe meine ganze Seele, beherrsche meine Sinne, regiere mich in allem! Sie erneuere mich nach Deinem Bild, dass ich Dir ganz ähnlich werde und die Früchte Deines Leidens und Todes an mir vollkommen zu sehen seien! O gib mir den Sinn, dass ich alles, was mir vorher Gewinn war, worauf ich baute und traute, jetzt für Schaden achte, ja dass ich alles für Kot und Kehricht achte gegen Deine unvergleichliche Erkenntnis.
Sei Du mir alles, und alles andere sei mir nichts, damit ich Dich gewinne, in Dir erfunden werde, damit ich mich nicht auf meine Gerechtigkeit stütze, die aus dem Gesetz kommt, sondern Deine Gerechtigkeit habe, die durch den Glauben an Dich geschenkt wird und die allein vor Gott gilt, damit ich Dich, die Kraft Deiner Auferstehung und die Gemeinschaft Deiner Leiden erkenne und Deinem Tod ähnlich werde (Phil. 3,8-10), bis ich endlich sagen kann: "Ich bin mit Christus gekreuzigt. Ich lebe aber; doch nun nicht ich, sondern Christus, der Gekreuzigte, lebt in mir" (Gal. 2,19-20). Ja, mein einzig geliebter Heiland, lass mich unverrückt aufsehen zu Dir, dem Anfänger und Vollender meines Glaubens, der Du, da Dir Freude zu Gebote stand, das Kreuz erwähltest und die Schmach erduldetest! Dein Leiden sei die süßeste Weide meiner Seele, Dein Kreuz meine Stärke im Kampf mit der Sünde, Dein Tod meine Zuversicht in Not und Tod; in jeder Anfechtung richte meinen Blick auf Dich! In Zweifel, Angst und trüben Stunden sei Deine Liebe mir Sonne und Schild, Licht und Trieb, dass ich nicht müde noch matt werde, mit Geduld zu laufen in dem Kampf, der mir verordnet ist! Amen.


Ach, wem der Heiland sich gegeben
und Frieden Gottes in sein Herz,
der kann nicht ohne Ihn mehr leben,
man sucht und find't Ihn allerwärts.
Man hat und fühlt den Menschenfreund,
wo man's bedarf und um Ihn weint.

O wüssten das doch alle Leute,
die Er mit Seinem Blut erkauft,
wie schad es ist, dass nicht noch heute
Ihm alles in die Arme läuft,
und wie so gut es jedermann
bei Dir, mein Heiland, haben kann!



Johannes Goßner (1773-1858)



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